Wie sich alle treiben lassen…

Eigentlich wollt ich zur Bundestagswahl nichts zur AfD schreiben, denn Menschen, die hier lesen, werden sie vermutlich eh nicht wählen und ich sehe wenig Sinn darin, sich wieder und wieder in der Ablehnung gegenseitig zu bestätigen.
In den letzten Tagen allerdings taucht vermehrt eine Argumentation in eher progressiven Kreisen auf, die mich massiv nervt, und zwar in Form von Stimmungsmache gegen Kleinparteien. Begonnen mit wirklich seltsamen Texten gegen Die PARTEI in der taz, bei n-tv und bei Stefan Niggemeier, gefolgt von einem Nachruf auf die Piraten bei netzpolitik mit der Botschaft, man brauche für das politische Engagement keine Parteien, bis hin zu Campact, die ernsthaft aufrufen nur Parteien zu wählen, die ohnehin schon im Bundestag sitzen, da letztlich nur nach deren Stimmanteilen die Sitze aufgeteilt werden. Dass das unter Umständen weite Teile der außerparlamentarischen Opposition schwächt und damit auch die Möglichkeit sich hier in Deutschland an der politischen Willensbildung zu beteiligen, scheint vollkommen egal.

Ich bin wirklich enttäuscht, dass Campact für solche Aufrufe seine Reichweite benutzt, denn Demokratie lebt von Vielfalt. Neue Ideen entstehen oft in kleinen Parteien, ebenso wie Protest gegen Einschränkungen von Menschen- und Bürgerrechten, die in etablierten Parteien dann doch eher flexibel mit der Position in Regierungsverantwortung oder Opposition verbunden sind.

Ich sehe also im Moment, dass die AfD es auch jetzt schon geschafft hat, fast den kompletten Wahlkampf an sich zu reißen, in dem sie zu 90% die Themen gesetzt hat, obwohl es für unsere Zukunft deutlich wichtigere Themen gegeben hätte und jetzt auch noch NGOs dazu bringt die Position von Kleinparteien zu schwächen, die sich die letzten Jahre redlich bemüht haben, denjenigen eine politische Heimat zu bieten, die nicht rechts sind und sich und die eigenen Prioritäten nicht in einer der etablierten Parteien wiederfinden.

Zudem sagt meine Erfahrung auf kommunaler Ebene, dass letztlich die genaue Anzahl der Sitze und die genaue Redezeit mitnichten die größte Rolle spielt. Schon eine kurze Rede kann eine Sitzung sprengen und zu einem zeitraubenden Polemik Pingpong führen. Manchmal reicht ein Satz, um alle konstruktiven Beiträge aus der Berichterstattung zu verdrängen und der AfD ein phänomenales Medienecho zu spendieren.

Um der AfD wirklich einen Dämpfer zu verpassen, müsste sie schon an der 5% Hürde scheitern, und dafür braucht es nicht unbedingt Stimmen für die etablierten Parteien, schon gar nicht für welche, die schon im Vorfeld versuchen Forderungen so weit einzuarbeiten, dass sie eine Alternative für “die Alternative” wären.

Und ganz nebenbei sollte imho der Fokus nicht darauf liegen, wie man denn Redezeit von Parteien verhindern kann, sondern, wie wir es schaffen, die Menschen, die sie wählen, zurück in einen konstruktiven, menschenfreundlichen und von gegenseitiger Achtung getragenen Diskurs zu bekommen, denn das sind wahrlich zu viele, um sie zu ignorieren. Ich hab auch noch keine Idee, wie das gehen soll, aber der momentane Umgang hilft nicht weiter.

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