Während die sozialen Medien mit stay home Buttons gepflastert sind, und über die Maßnahmen zur Eindämmung durch Shut-down und Kontaktsperren gestritten wird und der Vorwurf von gefährlichen Experimenten mit Leben im Raum steht, rückt die Situation in Sammelunterkünften (jeglicher Art) immer weiter aus dem Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei ist da die Situation besonders prekär.
Fast täglich findet man Meldungen in der Lokalpresse über die Ausbreitung von COVID-19 in Senioren oder Geflüchtetenunterkünften, die man so einzeln gesehen gern schnell verdrängt.
Theoretisch scheint man sich gesellschaftlich einig, dass man die Alten, Schwachen und Vorerkrankten schützen muss und diese Gesellschaftsgruppen nicht ausschließen sollte. Dafür ist man bereit einen hohen Preis zu zahlen. Praktisch gilt das aber, salopp gesagt, bei vielen nur für rüstige Rentner oder recht fitte Vorerkrankte, denn in Seniorenheimen und Pflegeheimen besteht bereits Besuchsverbot, die Bewohner sind isoliert, und die Häuser werden weitgehend insgesamt unter Quarantäne gestellt. Man käme also auch nicht raus, würde man das wollen. So lustig sich im ersten Moment die Geschichte der 101-jährigen auch liest, eigentlich ist sie das nicht.
Durch fehlende Schutzausrüstung infizieren sich auch Teile des Pflegepersonals, die aufgrund des Personalmangels weiterarbeiten sollen, bis sie Symptome zeigen und so verschärft sich das Ganze.
In Sammelunterkünften für Geflüchtete sind die Abstands- und Hygieneregeln schlecht bis nicht umsetzbar, die Häuser werden insgesamt abgesperrt und die Infizierten in der Anlage versucht zu isolieren, was offensichtlich vielerorts eher schlecht funktioniert, da die Ansteckung bereits erfolgt, bevor sich Symptome zeigen. So sitzen die Menschen dort eingesperrt auf engem Raum und können nur hoffen nicht angesteckt zu werden, während immer mehr im näheren Umfeld positiv getestet werden. Aktiv schützen können sie sich kaum. Bisher scheinen die meisten Krankheitsverläufe mild abzulaufen, es werden aber auch Fälle bekannt, bei denen nicht adäquat mit Verdachtsfällen umgegangen wird. In Mecklenburg-Vorpommern wurde beispielsweise ein Mann mit hohem Fieber erst nach Protesten seiner Mitbewohner ins Krankenhaus gebracht (Der Verdacht hatte sich zum Glück nicht bestätigt)
Heute bin ich auf eine Meldung über das Ankerzentrum Unterfranken gestoßen, Montag ist dort ein 60-jähriger Mann aus Armenien an Covid-19 gestorben. Auch dieser Mann hatte Vorerkrankungen, aber nicht wirklich die Chance Abstand zu halten. Das ist in den Sammelunterkünften von Haus aus schon nicht wirklich möglich, wenn das Haus unter Quarantäne steht, aber erst recht nicht. Seit Ausbruch der Pandemie macht der Flüchtlingsrat auf die Situation aufmerksam, leider ist die Resonanz dürftig.
Um sich das Ausmaß besser vorstellen zu können, habe ich exemplarisch ein paar Meldungen gesammelt. Wäre man zynisch, könnte man fast meinen, man probiere in der ein oder anderen Unterkunft die Möglichkeit der Durchseuchung aus… mir ist durchaus bewusst, dass es nicht einfach ist mehrheitsfähige (also bezahlbare), umsetzbare Lösungen zu finden, aber man muss hinschauen und sie suchen.
Ankerzentrum Unterfranken Geldersheim (600 Untergebrachte)
30.03.20: 7 positiv Getestete Bewohner, sowie 1 Mitarbeiter. Diese werden isoliert und die gesamte Unterkunft unter Quarantäne gestellt.
15.04.20: Die Zahl der Infizierten ist auf 69 gestiegen, zusätzlich sind 15 dort arbeitende Personen positiv getestet.
21.04.20: 1 Person stirbt, 43 werden als genesen aus der Isolation innerhalb der Unterkunft entlassen, 46 werden weiterhin positiv getestet isoliert. Die gesamte Unterkunft steht weiterhin unter Quarantäne.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/ankerzentrum-geldersheim-unter-corona-quarantaene,RubUpC6
https://www.br.de/nachrichten/bayern/ankerzentrum-geldersheim-bewohner-an-corona-infektion-gestorben,RwnXwCD
LEA Ellwangen (560 Untergebrachte)
09.04.20: 7 Personen positiv getestet
15.04.20: 250 Geflüchtete positiv getestet, plus 22 Mitarbeiter, häufig keine bis leichte Symptome
20.04.20: 313 Geflüchtete positiv getestet, die Polizei überwacht die Ausgangssperre im Drei- Schichtbetrieb
https://www.schwaebische.de/landkreis/ostalbkreis/ellwangen_artikel,-313-coronakranke-stadt-ellwangen-verl%C3%A4ngert-ausgangssperre-in-der-lea-_arid,11213127.html
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/ulm/viele-infizierte-in-lea-ellwangen-100.html
Euskirchen( 298 -400 Untergebrachte, je nach Quelle)
2.04.20: 1 Bewohner positiv getestet
3.4.20: 39 Bewohner und 7 Mitarbeiter positiv getestet. Alle unter Quarantäne. Maßnahmen zur Eindämmung: Essen auf dem Zimmer
10.04.20 : 221 positiv Getestete.
Am 20.04.20 steht die Unterkunft immer noch unter Quarantäne, neue Zahlen habe ich auf die Schnelle nicht gefunden.
https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/corona-in-fluechtlingsunterkunft-100.html
https://www.ksta.de/region/euskirchen-eifel/corona-im-kreis-euskirchen-die-zahl-der-genesenen-ist-auf-179-gestiegen-36357142
Ludwigshafen Oggersheim (171 Untergebrachte):
01. April 2020: 2 positiv Getestete, die ganze Unterkunft wird unter Quarantäne gestellt.
03.04.20: 11 Geflüchtete positiv getestet
20.04.20: 59 Geflüchtete positiv getestet
21.04.20: 82 Geflüchtete positiv getestet
https://www.rheinpfalz.de/lokal/ludwigshafen_artikel,-corona-ausbruch-verein-respekt-menschen-fordert-schlie%C3%9Fung-der-sammelunterk%C3%BCnfte-_arid,5056607.html
https://www.t-online.de/region/id_87743630/82-bewohner-von-asylbewerberunterkunft-positiv-getestet.html
Königswinter (144 Untergebrachte)
21.04.20: Von Freitag bis Montag ist die Zahl der Infizierten von 3 auf 34 hochgeschnellt. Das komplette Heim, sowie zwei direkt daneben liegende Doppelhaushälften wurden unter Quarantäne gestellt. Die Stadt prüft räumliche Entzerrung, allerdings habe man keine Reserven an Unterkünften mehr.
(Dienstag hat man dann eine Lösung gefunden um Infizierte und Nichtinfizierte an unterschiedlichen Orten unterzubringen.)
https://www.rundschau-online.de/region/bonn/koenigswinter/lage-hat-sich-zugespitzt-34-corona-infektionen-in-fluechtlingsheim-in-koenigswinter-36581860
Bremen, Unterkunft im Vegesacker/Lindenstraße (374 Untergebrachte)
20.04.20: Erst 33 von 60 positiv Getestete, mittlerweile weitere 11 von 70, größtenteils symptomlos – jetzt sollen alle 374 Bewohner und das Personal getestet werden. Die 374 dort Untergebrachten sind übrigens laut Staatsanwaltschaft alle Mitglieder eines Haushalts, anders hätte man die Klage des Flüchtlingsrates wegen Verstoß gegen die Allgemeinverfügung nicht einfach einstellen können…
https://taz.de/Corona-in-Bremer-Fluechtlingsheim/!5677220/
Baunatal (59 bis 62 Untergebrachte, je nach Quelle)
14.04.20 : 19 positiv Getestete, am 22.04.20 sind es bereits 30.
https://www.hessenschau.de/tv-sendung/baunataler-unterkunft-fuer-gefluechtete-unter-quarantaene-,video-119614.html
https://www.hna.de/lokales/kreis-kassel/fluechtlingsunterkunft-in-hertingshausen-haelfte-bewohner-erkrankt-13680342.html?utm_medium=Social&utm_source=Facebook#Echobox=1587479316
Havelland Hennigsdorf (289 Untergebrachte)
Am 12.04 wurde 1 Infizierter im Haus isoliert – am 20.04.20 gab es bereits 20 Fälle, jetzt besteht die Möglichkeit sich testen zu lassen auch für jene ohne Symptome.
Landshut (400 Untergebrachte)
09.04.20: 18 positiv Getestete, davon 10 bereits verlegt.
17.04.20: Quarantäne für die gesamte Unterkunft verlängert.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/kritik-an-quarantaene-in-landshuter-gemeinschaftsunterkunft,RveY4Uc
https://www.idowa.de/inhalt.landshut-quarantaene-fuer-gemeinschaftsunterkunft-verlaengert.11b15239-c274-496c-ac56-c3d8dcc7d115.html
Halberstadt (ZASt) (839 Untergebrachte)
Seit 27.03. 20 komplett unter Quarantäne, da einige Bewohner positiv getestet wurden.
5.04.20: Hungerstreik und Proteste wegen mangelhafter Versorgung mit Hygieneartikeln und Angst vor Ansteckung.
21.04.20: Mittlerweile sind es 108 positiv getestete von verbliebenen 620 Bewohnern
https://www.mdr.de/sachsen-anhalt/magdeburg/harz/corona-zast-hungerstreik-halberstadt-100.html
https://www.volksstimme.de/lokal/halberstadt/coronavirus-flucht-aus-der-zast-und-neue-infektionen
Doberlug-Kirchhain im Kreis Elbe-Elster (500 Untergebrachte):
3.04.20: 3 Infizierte, auf Gelände isoliert.
14.04.20; 5 positiv Getestete
https://www.maz-online.de/Brandenburg/Corona-Drei-Fluechtlinge-in-Sammelunterkunft-in-Brandenburg-infiziert
https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/panorama/coronavirus/beitraege_neu/2020/04/fliuechtlingsrat-forderung-brandenburg-unterbringung-hotels.html
Bergstraße: (2 Unterkünfte, 41 Untergebrachte)
7.04.20: 1 positiv Getesteter, beide Unterkünfte unter Quarantäne
https://www.hr4.de/programm/podcast/rhein-main/unterkuenfte-fuer-fluechtlinge-an-der-bergstrasse-unter-corona-quarantaene-1430h,podcast-episode-67576.html