Ein paar Worte von einer, die den BPT161 nur von aussen über den Stream beobachtet hat. (Und ein bisschen Replik auf den Post von Maja)
Erstmal ein verhaltenes Lob – die Beschränkung auf Kernthemen hat sich wohl nicht so ganz durchgesetzt, trotz Rootantrag. (Presse: Schwerpunkte sind Themen wie Flüchtlinge, Urheberrecht und bedingungsloses Grundeinkommen.)
Gefreut hat mich, dass sich eine klare Mehrheit für die Wiederherstellung des Asylrechts ausgesprochen hat, also den Verschärfungen der letzten Monate eine Absage erteilt hat.
Die angedachte „Fokussierung“ auf Kernthemen hat also nicht dazu geführt, dass man schwierige Themen einfach weg lässt und damit vielleicht den ein oder anderen „gemässigten Asylkritiker“ noch im Boot lässt, und das ist gut so.
Aber zurück zum Rootantrag.
Auch, wenn da nichts wirklich Neues oder Kontroverses drin stand, so hat er doch imho eine unschöne Wende eingeläutet. Es wird eine neue Wertigkeit eingeführt, in dem Fall auch noch vom Vorstand (da hilft imho auch der 2 Rootantrag nicht).
Das wäre früher ein NoGo gewesen, allerdings waren da imho auch in der Basis noch mehr Leute aktiv und diese weniger vorstandsfixiert. Der Grossteil der hiesigen Basis(Hessen), ist imho ja selbst Vorstand in niedrigeren Gliederungen und verwaltet dort fast nur noch Passive. Das hat leider nicht dazu geführt von Vorständen höherer Gliederungen weniger zu erwarten, eher im Gegenteil und Rootanträge bestätigen diese Entwicklung.
Zum Anderen wäre es toll, würde die Partei ihre Ziele/Forderungen erst mal intern umsetzen.
Zb Beteiligung:
Da wären wir dann bei BEO – gut, immerhin die Entscheidungsordnung ist noch dran gekommen, ich bin gespannt, wann BEO in Betrieb geht. Zumindest für mich hat der späte Zeitpunkt auf der TO nicht für Priorisierung gesprochen.
Datenschutz:
Da gabs auch eine Szene, wo ich kopfschüttelnd da saß – Alios leitete seinen Redebeitrag zur Mitgliedschaft von Personen mit Wohnsitz ausserhalb Deutschlands mit dem Satz ein “ Ich verstosse jetzt vermutlich gegen den Datenschutz…“ Da hätte ich mir gewünscht, die Versammlungsleitung dreht einfach den Ton ab.
Den Reaktionen nach hat das aber auch kaum jemanden gestört. Ungefähr so wird meinem Empfinden nach Datenschutz in der Gesellschaft gesehen. Man entscheidet selbst, ob er grad wichtig ist, oder auch nicht. Datenschutz ist schon okay, aber nur, wenn er die eigene Argumentation und die eigenen Ziele nicht stört.
Die Argumentation, dass andere Piratenparteien das auch so handhaben, wird zudem durch das Aufführen der Mitgliedschaften von Gregory und Pakki nicht überzeugender, nur persönlicher, emotionaler. Und da wären wir bei dem nächsten Punkt, der mir bitter aufgestossen ist.
Emotionalisierung der Argumentation.
Ihr seid nicht mutig genug, ihr habt ja nur Angst, ihr seid fortschrittsfeindlich.
Das sind alles Argumentationsmuster, die ich nur zu gut von etablierten Parteien kenne, natürlich in anderen Zusammenhängen. Gut sind sie nie.
Es klingt zb erst mal toll, wenn man nicht mehr aus dem Haus muss um Stunden beim Arzt zu sitzen und dann 5 Minuten zu reden. Wenn man sich allerdings bewusst macht, dass mittlerweile Patientenakten attraktiver sind als Kreditkartendaten, dann ist „fehlender Mut“ bei Skepsis vielleicht nicht ganz passend.
Mag sein, ich bin aufgrund des komplett fehlenden Bewusstseins für Datenschutz bei meinen letzten Arztbesuchen gebranntes Kind und die Beschäftigung mit der eGK hat auch nicht grad mein Vertrauen gestärkt, aber bisher habe ich noch keine externen Sicherheitsbeurteilung über die bestehenden Portale gefunden. Bei Golem fand ich lediglich „Patientus verwendet bei der Datenübertragung eine nicht näher bezeichnete Verschlüsselungstechnologie. Die Datenübertragung soll im Peer-to-Peer-Verfahren erfolgen.“ Mehr sagt deren Homepage auch nicht. Möglicherweise hab ichs auch verpasst, aber ich kann mich an keine Bezüge zu bestehenden Portalen erinnern. Vielleicht hätten da konkretere Ausführungen/Erklärungen meinen Mut mehr gestärkt ?
Inwieweit sich solche Angebote auf den eh schon vorhandenen Ärztemangel auf dem Land auswirken, werden dann die nächsten Jahre zeigen.
Angst vor Kindern war dann das Nächste. Gab ja durchaus auch rechtliche Bedenken und wie bei der letzten Diskussion wurden die exakt genauso weggewischt. Auch sonst fand ich die Argumentation zum Teil recht oberflächlich.
Natürlich gab, gibt, und wird es immer junge Menschen geben, die Erwachsenen technisch überlegen sind, aber die Zeiten, in denen man Betriebssysteme usw verstehen musste, um Technik zu benutzen sind längst um. Ich hab nicht selten mit Jugendlichen zu tun (Und ich hab viel mit Jugendlichen zu tun), die zwar den ganzen Tag an Smartphone oder Rechner hängen, aber fast ausschließlich spielen oder in sozialen Medien posten und sich bezüglich ihrer technischen Kompetenzen häufig überschätzen. Das Gros der Jugendlichen dürfte sich vermutlich weniger auskennen, als ein durchschnittliches Piratenmitglied – das ist eben eher 40 als 70 und nach wie vor haben viele einen IT-Hintergrund.
Was es aber ganz sicher braucht, sind Jugendliche, die anderen Jugendlichen die Wichtigkeit von Datenschutz/Privatsphäre, Medienkompetenz, Beteiligung, halt ernsthafte Beschäftigung mit politischen Themen näherbringen. Insofern finde ich die Öffnung gut und wichtig, auch wenn mir das alles zu fokussiert auf die Möglichkeit der Abstimmung ist. Der wirklich wichtige Part der Meinungsbildung ist allgemein bei Piraten nicht zufriedenstellend gelöst.
Überzeugt hätte mich die Diskussion auf dem BPT nicht.
So wirklich gut verargumentiert fand ich eher wenig und ich wünschte mir eine weniger emotionale, aber sachlich fundiertere Diskussion, von allen Seiten. Das ist zwar schon deutlich besser geworden, aber da geht noch was
Ich bin mehr oder minder über die Zensursula-Debatte auf die Piraten gestossen, und da war es halt genau diese nüchterne Sachlichkeit, die mich hat mitmachen lassen (und das ist mit meiner Geschichte nicht ganz einfach gewesen).
Ich hab damals die Piratenpartei nicht wirklich als visionär sondern als faktenbasiert realitätsverbunden wahrgenommen.
Eine Gruppe Menschen, die versucht Komplexität zu verstehen, zu vermitteln und nicht alles bis zur Trivialität hin zu vereinfachen, die Ideen entwickeln wollte, die eben nicht vordringlich likes und Aufmerksamkeit generieren, sondern Menschen zum Nachdenken bringen. Keine lauten Einzelkämpfer, die sagen wo es lang geht, und sich als Köpfe der Partei verkaufen, sondern gemeinsames Entwickeln, verbessern und von einander lernen, aus der Basis heraus, ohne Konkurrenzgehabe.
Diese Vision war imho eine leise – zumindest bei mir, geprägt von den früheren Erfahrungen im Netz, bei denen viele Hürden aus dem realen Leben nicht existent waren.
Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe, Alter, sex. Orientierung, Beruf, Lebenslauf, Clique, Ausstrahlung usw – alles egal, wenn die Argumentation überzeugend war.
Das war mein kleines Biotop was ich retten wollte.
Mittlerweile ists mir wohl überall zu laut, nicht nur bei Piraten 😉