was bleibt…

2 weitere Landtagswahlen sind vorbei. Die Ergebnisse sind mehr als ernüchternd. Habe ich mich vor ein paar Jahren noch gefreut, dass in Deutschland entgegen des Europatrends eine linke Partei das Spektrum erweitert, ist davon mittlerweile nichts mehr zu spüren – am rechten Rand etabliert sich die AfD, die jetzt in 3 Landtagen sitzt, die Grünen sind im Osten schwach, die FDP als parlamentarische Kraft, die zumindest in meiner Kindheitserinnerung noch liberale Ansätze hatte, scheint ebenso Geschichte wie die Piratenpartei. Immerhin die Hürde für die Parteienfinanzierungen haben sie knapp noch genommen.

Während die einen jetzt den Fehler in der Vermittlung des Programms suchen, machen die andere einzelne Personen verantwortlich, die nächsten die Wahl der Topthemen oder die Medien. Allgemein durchgedrungen zu sein scheint, dass der Flügelstreit nicht hilfreich war – dazu ein paar Worte:

Gäbe es wirklich sichtbar verschiedene Flügel in der Piratenpartei, könnte sie daran wachsen. Die sind aber von aussen nicht wahrnehmbar – die Konfliktlinie liegt weit weniger thematisch als vielmehr in der Art der Umsetzung. In der Art wie die “Flügel” ihre Vorstellung über die Vorgehensweise durchzudrücken versuchen, gleichen sie sich fast wie Zwillinge.  Besonders deutlich wird das im Umgang mit dem Thema Rechtspopulismus/Rechtsextremismus. Durch Unvereinbarkeitserklärungen ist das grundsätzliche Verhältnis längst geklärt, der Streit dreht sich nur um die Mittel bzw darum, ob der Zweck die Mittel heiligt.

Und damit sind wir schon beim Kernpunkt,  denn genau diese Problematik zieht sich durch sämtliche Konfliktlinien, ob politisch oder persönlich. Gewalt scheint okay, wenn sie nur gegen die “Richtigen” geht. Überwachung Beobachtung und Archivierung mittels Screenshot sämtlicher öffentlicher Kommunikation einzelner Twitteraccounts*, Anlegen von Screenshotsammlungen, öffentliche Diffamierungen, Mobbing, all das scheint als “Gegenwehr” akzeptiert zu sein

Von der Partei, die eine positive Zukunftsvision im Umgang mit dem Internet repräsentiert hat, die auf Vertrauen, Eigenverantwortung und Miteinander gesetzt hat, zur Partei, die sich dadurch auszeichnet, dass über jeden ein kleines Dossier vorhanden ist und man im Zweifelsfalle darüber stolpert, dass man vor 2 Jahren mal mit der falschen Person geredet hat, sich nicht genügend distanziert oder solidarisiert hat oder selbst ein Fettnäpfchen geentert hat. Das ganze gepaart mit einer (aus soziologischer Sicht) faszinierenden Arroganz und Selbstgefälligkeit, die Kritik ausblendet und nur schwarz/weiss kennt. In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren Alphatierchen, die ihren Platz um jeden Preis verteidigen, Teile der Mandatsträger bekämpfen ihre Partei, Teile der Basis ihre Mandatsträger. Eigentlich fühlt sich fast jeder als Opfer und fordert bedingungslose Solidarität. Statt Kritik ernst zu nehmen, nutzt man sie, um sich in der Opferrolle zu bestätigen. Klappt auch und wird umgehend zum Rückschlag benutzt. (Was da passiert nennt man übrigens auch Dramadreieck, von der geforderten progressiv emanzipatorischen Politik könnte das kaum weiter entfernt sein)
Kurz, wenn man der Meinung ist, dass Politik ein dreckiges Geschäft ist, dann sind die Piraten in der Politik angekommen 😉
Die vermeintlichen”Flügel” nehmen sich da nichts, im Gegenteil – in den paar Monaten, die ich mir das von aussen anschaue (und darüber die kleinen Erfolgserlebnisse intern nicht mehr zum Ausgleich hab) scheint ein Wettlauf um das unsympathischste Image entbrannt zu sein. Wer da wann mit was angefangen hat ist schlicht egal, das interessiert da draussen niemanden.
Ich ertappe mich dabei, dass Sätze über Piraten immer öfter ein “ja sicher ist das Mist, aber…” enthalten und ich tendiere dazu das aber zu streichen. Ohne es selbst zu merken bestätigt die Partei fast alle Vorurteile, die Konservative gern über Netzaktivisten und die Social Media geprägte Jugend allgemein haben – egoistisch, arrogant, oberflächlich, selbstverliebt, rücksichtslos…
Und die einst anvisierten Wähler? Die fühlen sich an die Mobber aus ihrer Schulzeit erinnert, mit denen möchte man eher nix zu tun haben, da hilft auch ein noch so tolles Programm nichts. (in dem btw auch ne Menge heisse Luft steht)
Damit geht weit mehr kaputt als der Traum vom Sprung der Piraten in die Parlamente, aber, wie nicht anders zu erwarten, das interessiert die Protagonisten nicht.
Ich hatte ja die naive Hoffnung, dass sich da unter neuem Vorstand ein bisschen was bewegt. Die Bemühungen Konflikte zu beruhigen indem man sie verschiebt (und damit neue Bühnen schafft, die gleich eifrig genutzt wurden)  oder aussitzt haben mich eines besseren belehrt.

Es gibt natürlich weiterhin sehr engagierte Piraten, die thematisch tolle Sachen machen, wahnsinnig kreativ, entschlossen sind alles zum Besseren zu ändern, aber die Hoffnung das davon was nach aussen dringt schwindet zusehends. Und so bleiben einzelne kleine Wohlfühlbubbles, die am Besten irgendwo im kleinen Kreis zusammenarbeiten, Mailinglisten, Twitter usw meiden um die Motivation nicht zu verlieren und sich dann bei der nächsten Wahl wieder fragen warum sie nicht gewählt werden 😉

* Da mir gestern erklärt wurde, dass ich, wenn ich die automatisierte Archivierung sämtlicher öffentlicher Kommunikation einzelner Accounts über Social Media als Überwachung kritisiere, über keinerlei Medienkompetenz verfügen würde, strutzdumm sei und somit lediglich als Clown taugen würde, so sei kurz erwidert, dass es mir da nicht um rechtliche Aspekte geht, da mag man gegen das Ding nicht vorgehen können. Eine Partei, die mit Slogans wirbt wie “glücklich ohne Überwachung” macht sich imho durch Akzeptanz solcher “Suchmaschinen” in den Augen der Wähler schlicht unglaubwürdig. Und ja, das eine ist privat, das andere staatlich, blöd halt, dass Parteien im allgemeinen Verständnis damit verbunden werden Einfluss auf eben diese staatliche Ebene erringen zu wollen 😉
Es wird also offensichtlich vom Wähler erwartet, dass man sich solchen Kram anschaut und darauf vertraut, dass sich im Falle des tatsächlichen politischen Einflusses schon die Einstellung ändern würde. Das ist bestenfalls niedlich naiv. Vorallem wenn dann noch die Argumentation kommt, das sei ja so schön praktisch um dann Fehltritte nachweisen zu können…das hab ich doch irgendwo schon mal gehört….sinngemäss, wer nichts zu verbergen hat, den braucht auch dieser Crawler nicht stören….