Prioritäten beim hessischen Verfassungsschutz

Montag war in hessischen Landtag die 24. Sitzung des NSU Untersuchungsausschusses mit dem Ziel der Klärung der Vernetzung des NSU in die rechtsextreme Szene in Hessen.
Geladen war dazu Herr Peter Stark, Abteilungsdirektor Auswertung des LfV Hessen und direkter Vertreter des Behördenleiters und Herr Diemer, Bundesanwalt beim BGH Bundesgeneralanwaltschaft.

Kurz vorweg: man hat keine ermittelt.

Ich schreibe das absichtlich so, denn speziell der erste Zeuge wirkte auf mich beeindruckend desinteressiert am Thema Rechtsextremismus. Ich verstehe zwar, dass man neun Jahre später, und seit 2007 im Ruhestand keine Details mehr im Kopf hat, aber ich hätte erwartet, dass man sich vor einer Befragung noch mal vorbereitet. Dabei kommen dann weitere Erinnerungen ja meist auch wieder hoch und schließlich lief ja alles über seinen Schreibtisch.
Herr S hielt das nicht für nötig. Allein zu Roeder wären das ja bestimmt 15 Aktenordner(die dem Ausschuss nicht vorlagen). Er verwies immer wieder darauf, dass man die Verfassungsschutzberichte lesen könne, da stände alles drin.

Als Beispiele für Rechtsterror bezog er sich auf die deutschen Aktionsgruppen, speziell Roeder, Hepp-Kexel und Peter Naumann. Da hätten die Taten Symbolcharakter gehabt, der sei bei der Ermordung einzelner Ausländer, wie beim NSU nicht sichtbar. Einzig der Nagelbombenanschlag in der Keupstrasse erfülle die Kriterien für Rechtsterror, aber da hätte Schily ja sofort einen rechtsterroristischen Hintergrund ausgeschlossen und die Ceska sei auch schon benutzt worden, auch dort hätte man keine rechtsextremen Motive gesehen.
(ich finde es ja erschreckend, dass die unfundierte Aussage eines Ministers die Richtung für Ermittlungen vorgibt – zu dem Zeitpunkt hätte man imho nichts ausschließen dürfen)
Zu einzelnen Gruppierungen könne er nicht viel sagen, gerade in FFM tummelten sich ja Terroristen jeglicher Couleur, da hätte es auch viele Täter und Opfer des Linksextremismus gegeben.
Eigentlich fielen ihm namentlich nur NPD und JN ein, und ach,  Blood and Honour in Nordhessen wären zwar nicht rein intellektuell, aber auch keine Terroristen gewesen. Sturm 18 und Bernd T sagten ihm nichts.
Weder der weiße Wolf war ihm bekannt, obwohl diese „Zeitung“ von Carsten Szczepanski gegründet wurde, der seit 94 vom Verfassungsschutz unter dem Decknamen „Piatto“ geführt wurde, noch die Turner Tagebücher, die 2006 immerhin so viel Aufmerksamkeit erlangten, dass sie indiziert wurden.
Da wundert es kaum, dass ihm auch das Konzept des führerlosen Widerstands nichts sagte. Ob ihm die Nagelbombenattentate in London 99 irgendwie bekannt waren, wurde dann nicht mehr ernsthaft gefragt.

Ein Zitat aus dem Geständnis Copelands:

„Meine Hauptabsicht war es, Angst, Ressentiments und Hass in diesem Land zu verbreiten, um einen Rassenkrieg auszulösen. […] Wenn Sie die Die Turner-Tagebücher gelesen haben, wissen Sie, dass es im Jahr 2000 einen Aufstand geben wird und all das, rassische Gewalt auf der Straße. Mein Ziel war politisch. Ich wollte einen Rassenkrieg in diesem Land auslösen. Es würde einen Gegenschlag durch die ethnischen Minderheiten geben, dann würden alle weißen Leute losgehen und die BNP wählen.

Und am Rande: auch Kevin S, der 2008 bei einem Überfall auf das Solidcamp eine schlafende 13Jährige  fast erschlagen hätte, hat sich auf jene Tagebücher berufen. Die freien Kräfte Schwalm Eder gab es schon in seiner Amtszeit (ab 2005), wurden von ihm allerdings vermutlich genauso wenig ernst genommen, wie das Blood and Honour Netzwerk.

Meinem Eindruck nach wurde wohl das ganze Thema nicht wirklich ernst genommen. 2006 war die Abteilungsleitung des Dezernats Rechtsextremismus über fast 10 Monate nicht besetzt, den Grund dafür konnte er nicht nennen. Bei der Aussage, man habe  viel über die Rechtsextremen in Nordhessen gewusst, stellt sich mir die Frage was…

Hatte man nach 2001 für das Dezernat Ausländerextremismus Islamwissenschaftler eingestellt, so hatte man Experten im Dezernat Rechtsextremismus offensichtlich nicht für nötig gehalten. Anders kann ich mir die Wissenslücken nicht erklären.

Das finde ich besonders pikant in Anbetracht der Tatsache, dass die Dichte an V-Personen durchaus erschreckend war.
So feierten kurz nach dem Mord an Halit Yozgat mehrfach mehrere Dutzend Neonazis bei Roeder auf dem Reichshof – auch Quellen des Verfassungsschutzes. Ob dort Quellen des Verfassungsschutzes aus anderen Bundesländern dabei waren, wusste der Befragte nicht, es fiel aber sinngemäß der Satz, es hätte zeitweise zu viele Quellen gegeben.
Mir stellt sich die Frage, wie viele Aktivitäten es noch gegeben hätte, hätte man alle Quellen abgezogen?
Die Zusammenarbeit und der Austausch mit dem Thüringer VS habe der Gefragte als gut befunden, Hessen habe beim Aufbau geholfen. Nichtsdestotrotz habe er von den 3 untergetauchten Rechtsextremisten in Thüringen nichts gewusst.
An die Antwort, ob er wusste, dass beim Roederprozess Mundlos und Böhnhard anwesend waren, kann ich mich nicht erinnern, aber vermutlich gabs auch da wieder einen Verweis auf die Akten, die jetzt sicherlich vom Ausschuss angefordert werden (wenn sie hoffentlich noch nicht im Schredder gelandet sind).
Zumindest dürfte klar sein, dass die Zusammenarbeit von V-Person Brandt zu den Rechtsterroristen gut geklappt hat.
Zitat aus dem Artikel der Tagesschau:

„Angeblich hatte der Neonazi und Vertrauensmann des Verfassungsschutzes Tino Brandt die Kameraden mit Presseausweisen versorgt, sodass sie ins Gericht konnten. Das steht zumindest in geheimen Papieren des Verfassungsschutzes, die tagesschau.de vorliegen.“

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert